Samstag, 15. Juni 2013

Versprochen

Als sie sich spät in der Nacht gegenüber liegen, da tragen sie nichts auf ihrer Haut als das Salz des Meeres, in dem sie eben noch geschwommen sind. Es ist still in der Wohnung. Von draußen hört man den Regen auf die Blätter fallen. Ein Sommer in Hamburg, der sich viel Mühe gibt, keiner zu sein. An der See war der Wind. Dort ist er geblieben, wie die Wellen, die mit ihnen an Land gingen, als es kalt war und sie liefen, um schnell zu ihren Handtüchern zu kommen, und liefen, bis der Himmel aufreißt, sehr plötzlich ist das passiert. Er sagt, wir sind doch Glückskinder, da hält sie schon ihr Gesicht in den Himmel. Ja, denkt sie, zwei Glückskinder in trockenen Handtüchern. So ist es doch schön.

Er küsst sie. Er nimmt ihr Gesicht in seine Hände und küsst sie, auf die Nase, die Stirn, er ist immer so zärtlich. Sie spürt die Wellen in ihrem Körper, aber vielleicht sind sie auch nur in seinen Händen, auf seiner Stirn, in seinem Lächeln.

Sie wissen nicht, wer ihnen diesen Schatz in die Hände gelegt hat. Sie sagt, ich werde darauf aufpassen. Er sagt, uns kann doch gar nichts passieren. Sie liegen sich gegenüber. Es ist still in der Wohnung. Die kleine Kugel aus Kristall kann niemand sehen. Sie wird nicht kaputt gehen, sagt er, da kann ein Panzer drüber fahren, wenn wir nur darauf aufpassen, sie schaut in seine Augen. Ich passe auf, sagt sie, ich verspreche es dir. Sie gibt ihm ihre Hand. Es ist ein Versprechen, und niemand kann es bezeugen außer ihnen. Zwei Glückskinder auf einem Laken, denkt sie, und eine Nacht, die gerade anfängt. Sie schauen auf die Kugel aus Kristall. Sie ist so zart und zerbrechlich, dass jeder Außenstehende sagt, dass sie nicht lang halten wird. Aber niemand kann sie zerstören. Nur die beiden, die sie von nun an in den Händen halten.

Freitag, 26. April 2013

Der Lauf der Zeit

Er holt sie ab, das hat sie eben auf dem Display gelesen, und in der Luft liegt so viel Sommer, dass man ihr glauben kann. Sie geht ihm entgegen. So riecht die Welt, wenn alles gut ist.

Er hat sie nicht gesehen. Am Telefon klingt er ungeduldig und steht nur drei Meter entfernt, er greift theatralisch in die Luft, ja wo bist du denn, im Fernsehen läuft Fußball und Heidi Klum.

Er tut alles für sie. Er tut nicht so wie all die anderen, das ist ihr aufgefallen, er könnte jetzt unterwegs sein mit den Jungs oder kicken am Zollenspieker und ihr wäre das egal, zumindest würde sie so tun als ob und ihn dann irgendwann verlassen, aber die Frage stellt sich nicht, denn er fährt sie hin und holt sie ab, es war kein guter Tag, hat sie am Telefon gesagt. So einfach ist das manchmal. Mit den Menschen und der Liebe.

Sie schaut ihn an, vom Beifahrersitz. Die Straßenlaternen sind Beleuchter und Fotografen, alle drei Sekunden ein neues Bild. Sie sieht den Mann, neben dem sie aufwacht, jeden Morgen für mehr als ein Jahr. An diesem Tag zwitschern die Vögel, wir brauchen ein Rollo, denkt sie beim Aufwachen, obwohl da eins hängt, es hat nur lange niemand benutzt. Da zieht sie die Knie Richtung Nase.

Kein Mensch kann das verstehen. Kein Mensch kann wissen, wie sich das anfühlt. Ein Vater, der seine Kinder nicht mehr sieht. Der die Familie nicht verlassen hat, nein, das hat die Mutter getan, aber er soll jetzt dafür bezahlen. Er soll nicht mehr dabei sein. Das hat die Mutter entschieden. Sie sieht sein Glück und gönnt es ihm nicht.

Das Glück mit den Kindern soll ab sofort nur noch ihr gehören. Die Kinder weinen nachts in ihr Kissen. Entsorgter Vater, das hat man neulich zu ihm gesagt.