Mittwoch, 9. Juni 2010

Mein WM-Quartier

Seit einer Woche habe ich mein WM-Gefühl zurück. Es hat lange gedauert, die vergangenen Monate waren einfach zu mühsam. Der HSV hat mir so viel abverlangt, so viel Ärger und Frust, da war ich froh, dass mein bester Freund ein St.-Pauli-Fan ist - und großzügig dazu. Er hat mir viel von seiner Freude abgegeben. Am Tag des Aufstiegs habe ich ihn sogar im Jolly Roger besucht, und zugegeben: Ich musste mich ein bisschen überwinden. Aber dann war es großartig. Ich glaube, ich habe noch nie so viele lustige, betrunkene und friedliche Fans auf einem Haufen gesehen. Auf unserem Nachhauseweg stand dann plötzlich dieses Sofa vor uns, mitten am Paulsenplatz. Es regnete. Sven meinte: "Wart mal." Dann ist er hoch in seine Wohnung, hat zwei Gläser und eine Flasche Sambuca geholt. Da saßen wir dann im strömenden Regen, bestimmt noch eine Stunde, und haben über Hamburg, die Liebe und den Fußball gesprochen. Das war die schönste Aufstiegsfeier meines Lebens.

Und jetzt ist endlich das WM-Gefühl wieder da. Dieses Kribbeln, das ich noch aus meiner Kindheit kenne und das man nicht erzwingen kann. Es ist in der zweiten Halbzeit Deutschland gegen Bosnien passiert. Weil da plötzlich etwas über dem Platz lag, das man nicht greifen konnte, in ganz wenigen Spielen geht mir das so. Im Eröffnungsspiel der WM 2006 zum Beispiel, als Philipp Lahm das 1:0 schoss. Oder im Champions League Finale 2005, als Liverpool die märchenhafteste zweite Halbzeit der Fußballgeschichte spielte.

Ich kann dieses Etwas bis heute nicht in Worte fassen. Ich freue mich einfach nur, wenn es da ist und ich es spüre.

Heute ist es noch ruhig in der Redaktion. Ab Freitag beginnt dann der Wahnsinn, der ganz normale WM-Wahnsinn. 16 Seiten, wie die Süddeutsche Zeitung, werden wir nicht hinkriegen. Aber mit sechs haben wir auch schon gut zu tun. An meinem Bildschirm klebt Tim Wiese. Hinter mir hängen die Handy-Nummern der Südafrika-Fahrer. Mir geht es gut.